Jedes Jahr begehen Ärzte in Deutschland mehr als 2200 Behandlungsfehler, zum Teil mit schwerwiegenden Folgen. Die betroffenen Patienten leiden mitunter ihr restliches Leben lang an dem Ärztepfusch. Nachvollziehbar, dass die Leidenden zumindest auf die Zahlung eines Schmerzensgeldes bestehen. Doch wie viel Schadensersatz steht den Betroffenen zu? Im Fall eines zu spät erkannten Dünndarmverschlusses musste das Oberlandesgericht Hamm nun ein Urteil fällen.

Schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen nach zu spät entdecktem Darmverschluss

Geklagt hatte eine Patientin, bei der ein Dünndarmverschluss zu spät erkannt wurde und deren Gesundheit durch diesen Behandlungsfehler dauerhaft beeinträchtigt ist. Sie verlangt mehrere zehntausend Euro Schmerzensgeld. Die 1951 geborene Patientin war beruflich als ambulante Krankenschwester tätig. Nachdem sie Mitte Dezember 2008 plötzlich an Übelkeit erkrankt war, suchte sie einige Tage später das beklagte Krankenhaus auf.

Dort nahm sie der mitbeklagte Arzt in seine Abteilung auf. Da sich ihr Gesundheitszustand in der Folgezeit weiter verschlechterte, wurde sie Ende Dezember notfallmäßig operiert. Dabei wurde festgestellt, dass die Patientin an einem ausgeprägten Dünndarmverschluss litt, der bereits zu einem teilweisen Absterben sowie zu einem Darmdurchbruch geführt hatte. Aus diesem Grund leidet sie nun an einem sogenannten Kurzdarmsyndrom, einer reaktiven Depression sowie an Osteoporose mit mehreren Wirbelbrüchen. Als Folge habe sie mehr als 10 kg abgenommen und sei einige Zentimeter kleiner geworden. Außerdem sei sie seit dem Vorfall arbeitsunfähig. Die Klägerin verlangt daher ein Schmerzensgeld in Höhe von 125.000 Euro.

Klägerin erhält Schmerzensgeld in Höhe von 90.000 Euro

Mit ihrer Forderung nach Schadensersatz war die Klägerin größtenteils erfolgreich. Nach dem Hinzuziehen eines Sachverständigen sprach das Oberlandesgericht der Klägerin insgesamt 90.00 Euro Schmerzensgeld zu. Die Fachärzte haben grob fehlerhaft gehandelt und vor der Notoperation wichtige therapeutische sowie diagnostische Untersuchungen unterlassen. Den Dünndarmverschluss hätte man wegen der anhaltenden Schmerzen schon frühzeitig betrachten müssen.

Dadurch hätte man das Absterben sowie der Darmdurchbruch mit großer Wahrscheinlichkeit verhindern können. Durch das Kurzdarmsyndrom, an dem sie nun leidet, kann ihr Dünndarm weder Fette noch fettlösliche Stoffe richtig aufnehmen. Was, genau wie die Osteoporose und die Depressionen, als Folge der zu späten Diagnose anzusehen ist. Die Klägerin leidet zudem an Geschmacksempfindungsstörungen, die allerdings nicht auf den Behandlungsfehler zurückgeführt werden können. Das Schmerzensgeld in Höhe von 90.000 Euro sei in Anbetracht der lebenslangen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie der Arbeitsunfähigkeit gerechtfertigt.

Wann erhält man Schmerzensgeld, wenn der Arzt einen Fehler macht?

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn ein Arzt oder eine andere im Gesundheitswesen tätige Person die ärztliche Sorgfaltspflicht verletzt und dadurch der Gesundheitszustand eines Patienten verschlechtert oder beeinträchtigt wird. Ein solcher Fehler kann verschiedene Formen annehmen, zum Beispiel eine falsche Diagnose, eine falsche Therapie, eine mangelhafte Aufklärung oder die fehlerhafte Anwendung technischer Hilfsmittel.

Erleidet ein Patient durch einen Behandlungsfehler einen immateriellen Schaden, wie zum Beispiel eine Verletzung, eine Entstellung oder einen Dauerschaden, kann er einen Anspruch auf Schmerzensgeld geltend machen. Das Schmerzensgeld ist eine Entschädigung für die erlittenen körperlichen und seelischen Schmerzen und soll dem Patienten Genugtuung verschaffen.

Wann liegt ein Arztfehler vor?

Um Schmerzensgeld zu erhalten, muss der Patient jedoch einige Voraussetzungen erfüllen. Er muss nachweisen können, dass

– ein Arztfehler vorliegt,
– der Arztfehler zu einem gesundheitlichen Schaden geführt hat,
– der Arzt für den Fehler verantwortlich ist und
– der Schaden nicht durch andere Umstände verursacht wurde.

Dies kann in der Praxis schwierig sein, da die Beweislast beim Patienten liegt und die medizinischen Sachverhalte oft komplex sind. Es ist daher ratsam, sich bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler an einen spezialisierten Rechtsanwalt zu wenden, der die Erfolgsaussichten einer Klage prüfen und die notwendigen Schritte einleiten kann.

Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. Art und Schwere des Schadens, Alter und Gesundheitszustand des Patienten, Grad des Verschuldens des Arztes und Grad der Beeinträchtigung der Lebensqualität des Patienten. Für die Bemessung des Schmerzensgeldes gibt es keine festen Tabellen oder Richtlinien, sondern die Gerichte entscheiden im Einzelfall nach Billigkeit und unter Berücksichtigung vergleichbarer Urteile.

Die Bandbreite des Schmerzensgeldes kann daher sehr groß sein. So kann ein Patient für den Verlust des Geruchssinns nach einer Operation 3.500 Euro erhalten, während ein Patient für eine Querschnittslähmung nach einer fehlerhaften Operation 220.000 Euro bekommen kann.

Um seinen Anspruch auf Schmerzensgeld geltend zu machen, muss der Patient innerhalb einer bestimmten Frist Klage erheben. Diese Frist beträgt in der Regel drei Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem der Patient von dem Behandlungsfehler und dem Schaden Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. In Ausnahmefällen kann die Frist auch länger sein.

Fazit

Ein Behandlungsfehler kann zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld führen, wenn der Patient einen immateriellen Schaden erleidet. Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von verschiedenen Faktoren ab und wird von den Gerichten im Einzelfall festgelegt. Um einen Anspruch auf Schmerzensgeld geltend zu machen, muss der Patient bestimmte Voraussetzungen erfüllen und innerhalb einer bestimmten Frist Klage erheben. Dabei sollte er sich an einen spezialisierten Rechtsanwalt wenden, der ihn beraten und vertreten kann.

Quelle:

Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. März 2014; AZ: 26 U 80/13

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