Alkoholismus ist eine Krankheit

leere Flasche mit Alkohol

Alkoholismus tritt immer öfter auf. Muss ein Arbeitgeber einem Angestellten, der seit mehreren Jahren alkoholabhängig ist und schon zwei Entzüge hinter sich hat, weiterhin sein Gehalt bezahlen, wenn dieser auf Grund von schwerem Alkoholkonsum ins Krankenhaus eingeliefert wird und zehn Monate lang nicht arbeiten kann? Darüber urteilte in letzter Instanz das Bundesarbeitsgericht.

Arbeitgeber will keine Entgeltfortzahlung leisten

Dem Gericht in Erfurt lag ein Fall vor, in dem eine gesetzliche Krankenkasse einem Mitglied Krankengeld in Höhe von rund 1.300 Euro gezahlt hatte und diesen Betrag nun von dessen Arbeitgeber zurückforderte. Der Arbeitnehmer war seit 2007 bei dem Unternehmen tätig. Im November 2011 musste er mit 4,9 Promille wegen einer Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert werden und konnte die zehn darauf folgenden Monate krankheitsbedingt nicht arbeiten. Der besagte Herr hatte bereits an zwei Entzugstherapien teilgenommen, wurde aber beide Male rückfällig.

Die Krankenkasse war der Ansicht, dass es die Pflicht des Arbeitgebers gewesen wäre, ihrem Arbeitnehmer weiterhin seinen Lohn zu zahlen, da dem Herrn aufgrund seiner Sucht kein Verschulden vorzuwerfen sei. Das sah der Baubetrieb jedoch anders und sieht seinen alkoholkranken Mitarbeiter in der Verantwortung, da dieser schon zwei stationäre Therapien hinter sich hatte.

Medizinisches Gutachten wird herangezogen

Der Fall landete in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht und in zweiter vor dem Landesarbeitsgericht Köln. Die Richter beider Institutionen entschieden zugunsten der Krankenkasse, mit der Begründung, dass Alkoholabhängigkeit eine Krankheit und ein Verschulden des Patienten deswegen auszuschließen ist. Das Unternehmen gab sich damit jedoch nicht zufrieden und ging noch eine Instanz weiter, da es nach wie vor der Ansicht war, dass der Betroffene für den Rückfall selbst verantwortlich sei.

Aber auch diese Bemühungen blieben für den beklagten Betrieb ohne Erfolg. Ein medizinisches Gutachten bestätigte, dass kein Selbstverschulden vorgelegen hat, da der Mann als chronisch krank anzusehen sei und so bestätigten auch die Richter des Bundesarbeitsgerichts die bereits ergangenen Urteile.

Wann ist man alkoholabhängig?

Alkoholabhängigkeit ist eine ernste Erkrankung, die nicht nur körperliche, psychische und soziale Folgen für die Betroffenen hat, sondern auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Doch ab wann gilt man als alkoholabhängig und welche rechtlichen Fragen ergeben sich daraus?

Definition der Alkoholabhängigkeit

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Alkoholabhängigkeit als eine Störung, bei der mindestens drei der folgenden Kriterien innerhalb eines Jahres gleichzeitig erfüllt sind:

– Ein starkes Verlangen oder eine Art Zwang, Alkohol zu konsumieren
– Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums
– Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums
– Eine Toleranzentwicklung, d.h. eine zunehmende Menge von Alkohol ist erforderlich, um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichte Wirkung zu erzielen
– Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Alkoholkonsums
– Anhaltender Alkoholkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen

Rechtliche Folgen der Alkoholabhängigkeit

Alkoholabhängige Menschen können in verschiedenen Lebensbereichen mit dem Gesetz in Konflikt geraten, z.B. im Straßenverkehr, im Arbeitsrecht oder im Familienrecht.

Im Straßenverkehr gilt eine Promillegrenze von 0,5 für Kraftfahrer, die nicht alkoholabhängig sind. Für alkoholabhängige Kraftfahrer gilt jedoch eine Null-Promille-Grenze, d.h. sie dürfen kein Alkohol im Blut haben, wenn sie ein Fahrzeug führen. Dies gilt auch dann, wenn sie keine Ausfallerscheinungen zeigen oder keine Fahruntüchtigkeit vorliegt. Die Feststellung der Alkoholabhängigkeit erfolgt durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU), das von der Fahrerlaubnisbehörde angeordnet werden kann.

Im Arbeitsrecht kann eine Alkoholabhängigkeit zu einer Kündigung führen, wenn sie die Arbeitsleistung oder das Verhalten des Arbeitnehmers beeinträchtigt. Eine Kündigung ist jedoch nur zulässig, wenn der Arbeitgeber zuvor versucht hat, dem Arbeitnehmer Hilfe anzubieten und ihn zur Therapie zu motivieren.

Im Familienrecht kann eine Alkoholabhängigkeit das Sorgerecht oder das Umgangsrecht für Kinder gefährden. Dabei muss das Wohl der Kinder beeinträchtigt oder gefährdet sein. Das Familiengericht kann in solchen Fällen Auflagen oder Einschränkungen anordnen oder das Sorgerecht oder das Umgangsrecht entziehen.

Hilfe bei Alkoholabhängigkeit

Alkoholabhängigkeit ist eine Erkrankung, die behandelt werden kann und muss. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Hilfe, z.B. Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, ambulante oder stationäre Therapien oder Medikamente. Der erste Schritt ist jedoch die Einsicht, dass man ein Problem hat und Hilfe braucht.

 

Quelle:

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.03.2015 – 10 AZR 99/14 –

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:

Haftungsfrage bei schwerem Hirnschaden nach Unfall