Fast jedes technische Gerät weist früher oder später einen Defekt auf und muss gegebenenfalls ausgetauscht werden. Auch Medizinprodukte sind nicht immer frei von Mängeln, die im schlimmsten Fall die Gesundheit der Patienten gefährden können.

Häufig werden die Hersteller durch Qualitätskontrollen auf die Fehler aufmerksam und können noch rechtzeitig einen Austausch veranlassen. Doch wie sieht es in solchen Fällen mit der Haftung aus? Muss der Hersteller die Kosten für den Austausch übernehmen und muss für jedes einzelne Medizinprodukt ein Fehler nachgewiesen werden? Darüber hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Austausch der fehlerhaften Herzschrittmacher

Im konkreten Fall ging es um ein Unternehmen, das in Deutschland Herzschrittmacher und Defibrillatoren vertreibt. Bei Qualitätskontrollen, die das Unternehmen nachträglich durchführen ließ, stellte sich heraus, dass die angebotenen Produkte mit Fehlern behaftet waren, die zu einer Gefährdung der Patienten führen konnten. Aus diesem Grund empfahl der Hersteller den Ärzten, die implantierten Herzschrittmacher der Patienten kostenlos durch andere Herzschrittmacher zu ersetzen.

Einstufung aller Produkte des Modells als fehlerhaft

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass der Hersteller eines fehlerhaften Medizinprodukts für den Schaden haftet und die Kosten für den Austausch übernehmen muss, um die Sicherheit zu gewährleisten. Außerdem hatte der Hersteller Ärzten empfohlen, einen Schalter an den Defibrillatoren auszuschalten. Aufgrund dieser Fehler verlangten die Versicherer der Patienten, die ihren Defibrillator oder Herzschrittmacher austauschen ließen, die Übernahme der Kosten für die Eingriffe.

In diesem Zusammenhang wurde dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die ausgetauschten Medizinprodukte pauschal als fehlerhaft angesehen werden können, obwohl kein spezifischer Fehler bei diesen Medizinprodukten festgestellt wurde, sondern nur ein potenzieller Fehler bei Medizinprodukten desselben Modells.

In diesem Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass, wenn ein Medizinprodukt einen potenziellen Fehler aufweist, alle Produkte desselben Modells als fehlerhaft angesehen werden können. Es ist nicht erforderlich, jedes einzelne Gerät auf Fehler zu untersuchen. Darüber hinaus hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass der Hersteller die Kosten zu tragen hat, die durch den Austausch des Gerätes entstehen.

Wann haftet ein Hersteller von Medizinprodukten nach dem EuGH?

Medizinprodukte sind im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens unverzichtbar. Sie dienen der Diagnose, Vorbeugung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder Verletzungen. Doch was passiert, wenn ein Medizinprodukt fehlerhaft ist und einen Schaden verursacht? Wer haftet und unter welchen Bedingungen?

Die europäische Produkthaftung

Die Haftung für fehlerhafte Medizinprodukte wird in erster Linie durch das europäische Produkthaftungsrecht geregelt. Diese ist in der Richtlinie 85/374/EWG über die Haftung für fehlerhafte Produkte geregelt und wurde in allen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) in nationales Recht umgesetzt.

Die europäische Produkthaftung ist eine verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers für Schäden, die durch ein fehlerhaftes Produkt verursacht werden. Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände vernünftigerweise erwarten kann.

Der Hersteller haftet für Sach- und Personenschäden, die durch das fehlerhafte Produkt verursacht werden. Er kann sich nur entlasten, wenn er beweist, dass er das Produkt nicht in Verkehr gebracht hat. Zudem muss der Fehler zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens noch nicht vorhanden gewesen sein. Weiterhin muss der Fehler auf zwingende Rechtsvorschriften zurückzuführen sein.

Die Entscheidung des EuGH zu fehlerhaften Produktlinien

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einer Entscheidung vom 05.03.2015 (Rs. C-503/13 und C-504/13) die Rechte der Patienten in diesem Bereich gestärkt, indem er zu den Voraussetzungen der Haftung für Medizinprodukte aus fehlerhaften Produktlinien Stellung genommen hat.

In dem Fall ging es um drei Patienten in Deutschland, die ihre Herzschrittmacher oder Defibrillatoren austauschen ließen, nachdem der Hersteller einen Rückruf empfohlen hatte. Der Grund war, dass bei einigen Geräten derselben Modellreihe ein potenzieller Fehler festgestellt wurde, der zum Ausfall führen konnte.

Die Krankenkassen der Patienten verlangten vom Hersteller die Erstattung der Kosten für den Austausch und klagten vor den deutschen Gerichten. Der Bundesgerichtshof (BGH) legte dem EuGH die Frage vor, ob die ausgetauschten Geräte als fehlerhaft eingestuft werden können, obwohl bei ihnen kein konkreter Fehler nachgewiesen wurde, sondern nur ein Fehlerverdacht bestand.

Der EuGH entschied, dass man ein Medizinprodukt als fehlerhaft ansehen kann, wenn es zu einer Produktlinie gehört, bei dem man einen potenziellen Fehler festgestellte, der die Sicherheitserwartungen beeinträchtigte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Fehler bei jedem einzelnen Produkt auftritt oder nachgewiesen wird.

Der EuGH betonte, dass Medizinprodukte wie Herzschrittmacher oder Defibrillatoren besonders hohen Sicherheitsanforderungen unterliegen, weil die Patienten besonders verletzlich sind. Der Hersteller muss daher nach der Richtlinie für den Austausch haften, wenn er selbst einen Rückruf empfiehlt oder wenn eine zuständige Behörde dies anordnet.

Fazit

Die Entscheidung des EuGH stärkt die Rechte der Patienten und Krankenkassen bei Schäden durch fehlerhafte Medizinprodukte. Der Hersteller kann sich nicht darauf berufen, dass bei dem konkreten Produkt kein Fehler nachgewiesen wurde, wenn er selbst oder eine Behörde einen Rückruf empfohlen oder angeordnet hat.

Allerdings bedeutet dies nicht, dass der Hersteller automatisch für jeden Schaden haftet. Er kann sich immer noch entlasten, wenn er eine der in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen nachweist. Außerdem muss der Geschädigte immer noch einen Kausalzusammenhang zwischen dem Fehler und dem Schaden sowie die Höhe des Schadens beweisen.

Quelle:

Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofs vom 5. März 2015; AZ: C-503/13 und C-504/13

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